Die FAMO Methode

FAMO Bewegungspraxis

FAMO Fascia Movement hat Gemeinsamkeiten mit Yoga, Pilates und anderen Body-Mind-Bewegungspraxen: Du bist barfuss und führst die Übungen auf einer Matte mit Achtsamkeit und klarer Absicht aus. Dabei wird die Atmung bewusst einbezogen und spielt eine zentrale Rolle. Der Hauptunterschied ist der Fokus auf die Faszien. Auf einer grundlegenden Ebene ändert das, warum du die Übungen machst, wie du sie ausführst, worauf du achtest und was du erreichst. Kurz gesagt: Es ändert alles.

Ressourcenorientierte integrative Bewegung

Als Konzept ist FAMO im Rahmen der ressourcenorientierten integrativen Bewegung angesiedelt. Karin Gurtner hat diesen Begriff geschaffen, um alle Bewegungspraktiken einzubeziehen und einzuladen, die gesundheitsorientiert sind und auf ganzheitliche Funktionalität sowie Wohlbefinden abzielen.

Ressourcenorientiert

Ressourcenorientiert bedeutet, die Fähigkeiten, Stärken und Potenziale des Körper-Geists zu erkennen und bewusst zu nutzen, ohne dabei Herausforderungen zu leugnen oder Schwächen zu ignorieren. Bei konsequenter Anwendung fördert dieser Ansatz ein dauerhaftes Gefühl von Befähigung und einen kreativen Umgang mit den eigenen Ressourcen, wodurch das durch Erfahrung gewonnene Vertrauen in den eigenen Körper (Körpervertrauen) gestärkt wird. Das damit verbundene Gefühl von Selbstbestimmung ist von unschätzbarem Wert, besonders bei der Bewältigung der alltäglichen Herausforderungen des menschlichen Lebens.

Der ressourcenorientierte Ansatz kann als Gegenstück zu den weit verbreiteten krankheits- oder störungsfokussierten Strategien betrachtet werden. Ob wir nun im Gesundheitswesen tätig sind, Therapeuten, Ärztinnen, Coaches oder einfach nur selbst-bewusste Menschen, viele von uns bewegen sich in die gleiche Richtung und streben dasselbe Ziel an: Ganzheitlichkeit oder Integrität. Auf dem Weg zur Integrität geht es darum, mehr körperliche Vitalität, geistige Klarheit, emotionale Gelassenheit, soziale Zugehörigkeit und Sinnhaftigkeit zu erfahren. Aufgrund dieses gemeinsamen Strebens ist der Ansatz, den wir verfolgen, keine Entweder-oder-Entscheidung. Wir müssen uns nicht darauf beschränken, rein ressourcenorientiert oder streng störungsfokussiert zu arbeiten. Stattdessen können wir uns dafür entscheiden, einem Weg zu folgen und gleichzeitig den anderen zu schätzen und von ihm zu lernen – oder beide in unser Kompetenzportfolio zu integrieren.

Integrativ

Integrativ bedeutet, verschiedene Elemente, Systeme oder Aspekte zu einem harmonischen Ganzen zusammenzuführen. Im vorliegenden Konzept führt ein integrativer Ansatz zu einer tiefer erlebten Körper-Geist-Einheit, grösserer Bewegungsfreiheit und innerem Frieden. Wenn wir bewusst integrative Praktiken ausüben, funktionieren unsere Körper besser und erfüllen uns mit Vitalität und einem Gefühl des Lebendigseins. Unser Geist wird klarer, differenzierter, fokussierter und aufnahmefähiger. Wir nehmen unsere innere und äussere Welt wahr und begegnen ihr mit einem neuen Mass an Akzeptanz und Wertschätzung. Fühlen ist nicht nur ein abstraktes Konzept, sondern eine gelebte Erfahrung, bei der körperliche Empfindungen ehrlich vom Verstand interpretiert werden – frei von Verleugnung, Konflikten oder Zwiespalt. Im Gegenzug nimmt der Körper die gefühlte Realität, die durch diese verlässlichen Gedanken entsteht, vertrauensvoll an.

„Integrativ“ erhält noch eine zweite Bedeutung: Im Gegensatz zu exklusiven Methoden, die andere Ideen ablehnen oder die Zusammenarbeit mit anderen Systemen ausschliessen, ist ressourcenorientierte integrative Bewegung inklusiv. Neue Ideen, zum Nachdenken anregende Fragen, inhaltliche Erweiterungen und das Einbringen der Fähigkeiten und Talente, die die Person auf der Matte mitbringt, werden nicht nur akzeptiert, sondern herzlich willkommen geheissen.

Bewegung

Bewegung ist Leben! Und das ist keineswegs übertrieben, denn im Grunde beinhalten alle physiologischen Prozesse Bewegung, von Makro- bis zu Mikrobewegungen, von ganzen Systemen bis hin zu ihren zellulären und sogar molekularen Bestandteilen. Nach Ansicht des Neurowissenschaftlers Daniel Wolpert ist Bewegung, genauer gesagt die Fähigkeit, angepasste und komplexe Bewegungen auszuführen, auch der Hauptgrund dafür, dass die Evolution uns mit einem Gehirn ausgestattet hat.

In einer ressourcenorientierten integrativen Bewegungspraxis werden Übungen und Sequenzen bewusst ausgewählt und nuanciert ausgeführt. Dennoch bleibt Raum für kreative Anpassungen, damit sie dem individuellen Körper-Geist optimal nützen und ihre Wirkung effektiv und angenehm entfalten können.

Leitprinzipien & Faszienfokus

FAMO zeichnet sich durch 6 Leitprinzipien und eine klar definierte Triade aus, die 12 fasziale Bewegungsqualitäten, 12 Trainingstechniken und 12 Praxisziele umfasst. Die Betonung der faszialen Bewegungsqualitäten verleiht FAMO eine einzigartige Dimension und verankert es zugleich in wissenschaftlichen Prinzipien und praktischer Erfahrung.

6 Leitprinzipien

Erfahrungsbasiert

Ein erfahrungsbasierter Ansatz hebt hervor, dass das Konzept in praktischer Anwendung verwurzelt ist, dass es sich durch bewusstes Embodiment entwickelt hat und sich ständig weiterentwickelt. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung fasst dieses Buch sechzehn Jahre kollektiver Erfahrung zusammen und stützt sich auf die wertvollen Beobachtungen eines internationalen Teams von Dozierenden, zertifizierten Lehrpersonen und ihren Klienten und Teilnehmerinnen sowie auf meine eigenen Erkenntnisse. Obwohl die präsentierten Informationen aus der empirischen Praxis stammen, können wir nicht behaupten, dass sie für alle Menschen, zu jeder Zeit oder auf die gleiche Weise funktionieren. Sollte das Training anfangs nicht den gewünschten Effekt haben, passe es an, bis es für dich funktioniert.

Wissenschaftsinformiert

Wissenschaftsinformiert zu sein bedeutet, Erkenntnisse aus verschiedenen Forschungsbereichen, darunter Faszienforschung, Medizin, Psychologie, Sozialwissenschaften und Neurowissenschaften, zu berücksichtigen, zu bewerten und zu integrieren. Forschende erarbeiten und organisieren Wissen im Wesentlichen in Form von überprüfbaren Erkenntnissen und Vorhersagen. Auch wenn nicht alles messbar ist, können wissenschaftlich denkende Praktikerinnen und Praktiker aus empirischen Ergebnissen, die durch systematische Beobachtung und Experimente gewonnen wurden, eine enorme Menge wertvoller Informationen ziehen. Genauso wichtig wie die Auswertung der Daten ist es, die Denkweise von Forschenden anzunehmen. Um diese Geisteshaltung zu erlangen, müssen wir uns keinen Laborkittel überziehen, wohl aber aufgeschlossen bleiben, denn wo Wissenschaft und praktische Anwendung aufeinandertreffen, ist eine Extraportion Neugier gefragt – die individuelle Erfahrung ist subjektiv. Was wir von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern lernen können, geht über Fakten und Zahlen hinaus: es ist die mentale Herangehensweise an eine Sache.

Ressourcenorientiert

Der ressourcenorientierte Charakter dieses Konzepts wurde im vorherigen Abschnitt erörtert. Im Zusammenhang mit den Leitprinzipien ist „ressourcenorientiert“ als Haltung zu verstehen, die wir alle in uns tragen, und nicht nur als eine Eigenschaft in einem konzeptionellen Rahmen. Die körperlichen, geistigen und emotionalen Ressourcen in uns selbst und anderen zu erkennen und zu nutzen, erfordert Übung. Während es für manche selbstverständlich ist, Fähigkeiten, Stärken und Potenziale zu erkennen, fällt es vielen schwer – oder sie haben es verlernt. In der Therapie, der Medizin und sogar in professionellen Bewegungsbereichen werden wir rigoros darin geschult, uns auf Funktionsstörungen, Symptome und Krankheiten zu konzentrieren. Erinnerst du dich an die Wirkung, die Aufmerksamkeit auf unser Denken hat? Aufmerksamkeit beleuchtet das, worauf wir uns konzentrieren, und macht es in unserer Wahrnehmung prominenter und wichtiger, während alles andere ausgeblendet wird. Wenn ich mich also nur auf das konzentriere, was falsch ist, kann ich nicht sehen, was richtig ist, weil es buchstäblich im Dunkeln liegt. Ich bin überzeugt, dass wir uns alle darin üben sollten, bewusst den mentalen Scheinwerfer einzuschalten, um die verfügbaren Körper-Geist-Ressourcen wahrzunehmen. So stellen wir sicher, nicht nur eine Fassade der Positivität aufzubauen, sondern wirklich zu ressourcenorientierten Individuen und Fachleuten zu werden, sowohl innerlich als auch äusserlich.

Neugiergetrieben

Neugiergetrieben zu sein, geht über Interessiertsein hinaus. Wenn wir uns für etwas interessieren, verfügen wir bereits über Wissen darüber, erkennen jedoch eine Lücke in unserem Verständnis, die wir schliessen wollen. Neugier umfasst dieselben Komponenten, jedoch mit einem wesentlichen zusätzlichen Element: emotionale Beteiligung . Wenn wir neugierig sind, geht es uns mehr darum, etwas zu verstehen, statt darauf zu bestehen, recht zu haben. Wir lernen mit Leichtigkeit und Freude, ja, sogar mit echter Begeisterung. Anstatt an dem festzuhalten, was wir wissen (oder zu wissen glauben), sind wir uns der Grenzen unseres Verständnisses bewusst und stellen immer wieder Fragen. Wir aktualisieren unsere Ansichten – und damit auch unsere Gefühle – auf der Grundlage neuer Informationen. Der innere Forschergeist ist geweckt. Die Verletzlichkeit, die damit einhergeht, unser Unwissen in einigen (oder vielen) Bereichen offen zu legen und zuzugeben, dass wir in einigen (oder vielen) Dingen falsch lagen, ist Teil dieses Prozesses. Neugierige Menschen nehmen es gelassen und sehen es als Teil des Lernens. Neugierig zu sein ist mehr als nur nach Wissen zu suchen; es ist eine Art, sich auf das Leben einzulassen, die echtes Verständnis, inneres Wachstum und Verbundenheit ermöglicht.

Diversitätsoffen

Diversitätsoffen zu sein bedeutet, anzuerkennen und zu schätzen, dass jeder Körper-Geist anders ist. Menschen teilen zwar anatomische Merkmale, physiologische und Bewegungsfunktionen sowie Verhaltensreaktionen, doch die Art und Weise, wie diese Gemeinsamkeiten sich gegenseitig formen, ausdrücken und beeinflussen, ist bei jedem Menschen einzigartig. Die Mischung aus körperlichen Mustern, Gedanken, Gefühlen, Erfahrungen, Erinnerungen und Erwartungen ist individuell anders. Da keine Person wie die andere ist, empfiehlt es sich, das „Ich kenne jemanden“ durch ein „Ich lerne jemanden kennen“ zu ersetzen, indem man aufmerksam ist, neugierig bleibt und Empathie zeigt. In der Praxis bedeutet dies, dass wir eine ressourcenorientierte integrative Bewegungspraxis (je nach Bedarf oder Wunsch) anpassen, um die Körper-Geist-Vielfalt zu respektieren.

Ignoranzbewusst

Ignoranzbewusst zu sein bedeutet im besten Fall das, was der Psychologe Adam Grant als „selbstbewusste Demut“ bezeichnet. Damit ist ein Zustand gemeint, in dem wir „an unsere Fähigkeiten glauben, aber gleichzeitig anerkennen, dass wir möglicherweise nicht die richtige Lösung haben oder sogar das falsche Problem angehen“. In diesem Sinne ist eine Person, die sich ihrer Unwissenheit bewusst ist, überzeugt von ihren Fähigkeiten, bleibt jedoch offen für die Möglichkeit, sich in dem, was sie für richtig hält, zu irren. Diese Denkweise erweitert unseren kognitiven Horizont und bringt an unerwarteten Stellen neue Ideen und Erklärungen zum Vorschein. Demut – eine verinnerlichte Eigenschaft, die das ehrliche Anerkennen der eigenen Grenzen, Unvollkommenheiten und Schwächen umfasst – mag abschreckend wirken. Unwissenheit hingegen trägt einen provokativen Unterton. Sich offen als unwissend zu bekennen, ist sicherlich nichts für Anfänger – doch hier liegt der Punkt: Die Bereitschaft, die Kraft und sogar die Freude, mit der wir unsere illusorischen Komfortzonen der Gewissheit verlassen, dienen als Indikatoren für eine fortschreitende selbstbewusste Demut. Unerschütterliche Gewissheit ist das Ende des Lernens, und im Bereich der Faszien steht uns noch viel Lernen bevor.

12 fasziale Bewegungsqualitäten

Spannkraft

Die Spannkraft der Faszien unterstützt die strukturelle Integrität, ergonomische Bewegung und Langlebigkeit von Gelenken und Organen und verleiht unserem Körper gleichzeitig Prä-silienz  – die Fähigkeit, somatischen Herausforderungen mit Gelassenheit und Selbstvertrauen zu begegnen.

Muskelkollaboration

Die Muskeln sind bemerkenswerte Stabilisatoren und Beweger, die einen unverzichtbaren aktiven Beitrag zu unserer faszialen Funktionalität und der Gesundheitsspanne von Körper, Geist und Herz leisten.

Kraftübertragung

Die Kraftübertragung ermöglicht eine ultraschnelle Kommunikation innerhalb des Fasziensystems und zwischen Muskeln, um unsere körperweite Bewegungseffizienz und die Langlebigkeit einzelner Strukturen aktiv zu unterstützen.

Responsivität

Die Responsivität der Faszien unterstützt die lebenslange Optimierung von Haltungsbalance und Bewegungsfunktionalität, während sie unseren Körper-Geist stets anpassungsfähig hält.

Mehrdimensionalität

Die Mehrdimensionalität der Faszien ermöglicht uns freie Bewegungen in alle Richtungen und Rhythmen. Dies verbessert unsere Agilität und fördert ein Gefühl von innerer Jugendlichkeit.

Fluidität

Die Fluidität in den Faszien vitalisiert unseren Körper und fördert die regenerative Gesundheit – das damit einhergehende saftige Gefühl innerer Geschmeidigkeit ist ein wunderbarer Bonus.

Gleitfähigkeit

Die Gleitfähigkeit des Fasziensystems wirkt wie ein natürliches Gleitmittel und unterstützt einen unvergleichlichen Kreislauf aus Bewegungsgelassenheit und ganzheitlichem Wohlbefinden.

Elastizität

Die Elastizität der Faszien verleiht uns innere Federung, sorgt für Leichtigkeit beim Gehen und ergonomische Kraft beim Laufen, Springen und Werfen, während sie zugleich als natürlicher Stimmungsaufheller wirkt.

Nachgiebigkeit

Die Nachgiebigkeit der Faszien regeneriert unseren Körper-Geist auf sanfte Weise und fördert idealerweise die funktionelle Leichtigkeit und ein Gefühl der Vitalität.

Tonusregulation

Die Tonusregulation in den Faszien erhöht ihre Festigkeit als Reaktion auf anhaltende Phasen hoher Beanspruchung oder Stress. Gleichzeitig unterstützt sie das Embodiment von Mañana-Kompetenz – unsere Fähigkeit, ‘Nein’ zur ständigen Hektik und ‘Ja’ zu regelmässiger Entspannung zu sagen.

Kinästhesie

Die Kinästhesie der Faszien unterstützt unsere Fähigkeit, uns gut koordiniert zu bewegen, körperliche Empfindungen und ihre emotionale Färbung bewusst wahrzunehmen, die Selbstwahrnehmung zu vertiefen und gesundheitsorientierte Anpassungen für die Körper-Geist-Vitalität umzusetzen.

Staunen

Das Staunen über Faszien weckt Momente des Wunderns, in denen das erlebte ‘Wow’-Gefühl unsere Neugier entfacht und uns inspiriert, tiefer zu erkunden und mehr zu erfahren.

12 FAMO-Vorteile fürs Leben

Die Erfahrungen von FAMO-Praktizierenden weltweit haben das bemerkenswerte Potenzial dieser faszienfokussierten Bewegungspraxis aufgezeigt. Durch das regelmässige Training wird der Körper dynamisch stabilisiert, die Haltungsgelassenheit erhöht und die fasziale Elastizität verbessert, zum Beispiel in der Achillessehne, was Gehen und Laufen energieeffizienter macht. Zudem wird der Flüssigkeitsfluss für eine regenerative Gesundheit unterstützt und das dynamische Gleichgewicht im autonomen Nervensystem gefördert – wodurch sowohl die Motivation als auch das Gefühl des inneren Friedens gestärkt werden, um nur einige der Vorteile zu nennen.

Erfahre mehr über die 12 FAMO-Trainingsziele.

Regelmässiges Training bringt auch umfassendere, ganzheitliche Vorteile mit sich. Karin hat diese als 12 FAMO-Vorteile fürs Leben zusammengefasst – hervorragende Gründe, um sich auf die Matte und in den Körper-Geist zu begeben.

Haltungsgelassenheit

Das wesentliche Merkmal der Haltungsgelassenheit ist ein müheloses inneres Aufrichten, das sich von selbst aufrechterhält – der Körper macht sich die Schwerkraft zur Freundin.

Aus dieser Perspektive sind eine aufrechte Körperhaltung und eine gelassene Körperhaltung nicht unbedingt dasselbe. Die Ausrichtung einer Person kann aufrecht sein und ihre Wirbelsäule den Lehrbuchnormen entsprechen, und dennoch ist ihr Körper angespannt, die Muskeln sind verspannt, die Faszien starr und der lebenswichtige Raum für die inneren Organe ist eingeschränkt. Ein Gefühl von Gelassenheit fehlt, da man gegen die Schwerkraft arbeitet, anstatt sich mit ihr anzufreunden. Die Art von aufrechter Haltung, die wir anstreben, ermöglicht energieeffizientes und gelassenes Stehen, Sitzen und Bewegen. Sie fühlt sich erhebend und nachhaltig an, ohne anstrengend zu sein. Anstatt sich an äusseren Kriterien zu orientieren, bestimmt das dynamische Gleichgewicht der inneren Strukturen die Beziehung zwischen den einzelnen Körperteilen.

Bewegungsfreiheit

Bewegungsfreiheit ist dadurch gekennzeichnet, gewünschte und notwendige Aktivitäten mit Leichtigkeit und Effizienz auszuführen.

Sich frei bewegen zu können, wird manchmal mit Flexibilität gleichgesetzt – oder verwechselt. Ausreichende muskuläre Flexibilität ist zwar ein wichtiges Funktionsmerkmal, jedoch nicht gleichbedeutend mit Bewegungsfreiheit. Im Gegenteil: Wenn der Grad der Beweglichkeit in keinem Verhältnis zur dynamischen Stabilität und funktionellen Kraft des Systems steht, raubt das dem Körper die Leichtigkeit. Um sich frei bewegen zu können, brauchen wir ein gesundes Gleichgewicht aus dynamischer Stabilität, funktioneller Beweglichkeit und funktioneller Kraft. Lasst mich erklären, was ich mit diesen Begriffen meine:

  • Dynamische Stabilität umfasst die Ausdauerkraft in haltungsorientierten lokalen Muskeln sowie die Spannkraft in den zugehörigen Faszien.
  • Funktionelle Beweglichkeit bezieht sich auf die ausgewogene Kopplung von Gelenkbeweglichkeit, muskulärer Flexibilität und faszialer Anpassungsfähigkeit.
  • Funktionelle Kraft beinhaltet mehrdimensionale Kraft und Entspannung in bewegungsorientierten globalen Muskeln sowie die Spannkraft in den zugehörigen Faszien.
Bewegungsliebe

Der Wunsch, sich zu bewegen und den Körper-Geist durch regelmässige Aktivität agil und vital zu halten, ist der beste Ausdruck des Konzepts der Bewegungsliebe.

Im direkten Gegensatz dazu steht die „Bewegungsverpflichtung“. Während Liebe eine intrinsische Motivation ist, stellt Verpflichtung eine mentale Zusage oder etwas dar, das wir als Pflicht betrachten – für uns selbst, vielleicht gegenüber unserem Trainer oder unserer Therapeutin, möglicherweise gegenüber den Menschen, denen wir von unserem Vorsatz, regelmässig zu trainieren, erzählt haben. Von Liebe motiviert zu sein, ist anregend. Verpflichtungen einzuhalten, erfordert Energie. In Wirklichkeit ist die Situation jedoch nicht schwarz-weiss; vielmehr existieren positive Gefühle und eine starke mentale Einstellung auf einem Kontinuum. Einige von uns sind eher auf Aktivität ausgerichtet, während andere eher zur Ruhe neigen. Unabhängig davon, wo du dich auf diesem Kontinuum befindest, erfordert es eine Portion Hingabe und Disziplin, regelmässig die Matte auszurollen. Durch ressourcenorientierte integrative Bewegung ändert sich oft das Verhältnis, wobei sich der Schieberegler allmählich in Richtung Bewegung aus Liebe verschiebt.

Die Vorteile dieser Verlagerung gehen weit über den Mattenrand hinaus; sie zeigen sich dort, wo es am wichtigsten ist – im echten Leben. Menschen, die echte Freude an Bewegung empfinden, nehmen die Treppe statt den Aufzug, gehen zu Fuss, wann immer es möglich ist, und widmen sich körperlichen Aufgaben nicht nur, weil es vernünftig ist, sondern weil es sich gut anfühlt. Ich kenne Menschen, die selbst alltägliche Tätigkeiten wie das Putzen des Hauses mit athletischer Begeisterung und Elan angehen! Warum ist das so wichtig? Weil ein aktiver Lebensstil Bewegung – nicht Sport – zur wirksamsten Medizin der Welt mit den geringsten Nebenwirkungen macht.

Prä-silienz

Im Kontext der achtsamen faszienfokussierten Bewegung bezeichnet „Prä-silienz“ die Fähigkeit, auch unter anspruchsvollen Bedingungen mental ruhig und klar, emotional flexibel und körperlich reaktionsfähig zu bleiben.

Das Konzept der „Prä-silienz”, respektive der „pre-silience“ wurde von der Neurowissenschaftlerin Amishi Jha eingeführt. In Bezug auf die Achtsamkeitspraxis, die im Zentrum ihrer wissenschaftlichen Forschung steht, beschreibt Prä-silienz die erlernbare Fähigkeit, Herausforderungen mit Geschick und sogar Leichtigkeit zu meistern.

Obwohl verwandt, unterscheidet sich Prä-silienz vom wesentlich bekannteren Konzept der Resilienz. Während Resilienz die Fähigkeit beschreibt, sich anzupassen und von Widrigkeiten zu erholen, bedeutet Prä-silienz, dass wir in schwierigen Zeiten unser kompetentestes Selbst bleiben. Zudem erhöht Prä-silienz unsere Belastungsgrenze. Das bedeutet, dass wir das nötige Selbstvertrauen in uns tragen, um potenziell stressigen Situationen mit der Gelassenheit und inneren Standfestigkeit einer unerschütterlichen Selbstbeobachterin zu begegnen, dabei einen kühlen Kopf bewahren und eine Eskalation vermeiden.

Viele von uns investieren einen beträchtlichen Teil ihrer strategischen Energie in die Vermeidung oder Umgehung von Hindernissen, Konflikten und Stresssituationen, nur um dann von unserem guten Freund, dem Leben, eines Besseren belehrt zu werden. Chronischer Stress zehrt an unseren Kräften und sollte daher angegangen und seine Ursachen geklärt, wenn möglich sogar beseitigt werden. Viele Stressfaktoren sind jedoch unvermeidbar oder Teil unseres Weges zur Erfüllung und zum Erfolg. Dinge, die es wert sind, getan zu werden, sind anspruchsvoll. Durch gezieltes Training unserer Prä-silienz auf der Matte können wir in Zeiten hoher Anforderungen auf reichhaltige somatische Ressourcen zurückgreifen.

Im Körper zu Hause sein

Im Körper zu Hause sein bedeutet, anzuerkennen, dass jeder Teil unseres Körpers zu uns gehört und das gesamte Spektrum körperlicher Empfindungen, Funktionen und Äusserlichkeiten zu akzeptieren – im besten Fall, es zu schätzen. Dies ist ein wesentlicher Bestandteil der psycho-emotionalen Gesundheit.

Stelle dir den Körper als ein geräumiges Zuhause für all deine Empfindungen, Emotionen und Gedanken vor. Wenn wir geboren werden, tummeln sie sich in jedem Raum, erkunden neugierig jede Ecke, öffnen verschlossene Türen, spielen mit den Möbeln und dekorieren das Haus auf kreative Weise neu.

Im Laufe des Älterwerdens verinnerlichen wir die Normen, Werte, Verhaltensweisen und Erwartungen der uns umgebenden Familienmitglieder und gesellschaftlichen Kulturen, wobei wir an einigen Stellen das Licht dimmen, während wir andere mit Flutlicht beleuchten, weil sie wichtiger zu sein scheinen. Wir lernen, dass das Erkunden bestimmter Räume unangemessen ist, und schliessen diese Türen. Um dies auszugleichen, dekorieren wir das, was wir noch betreten können, manchmal bis zur Schmerzgrenze. Traumatische Erfahrungen können dazu führen, dass wir aus einem Raum oder einem ganzen Teil des Hauses fliehen. Wir blockieren diese Türen und werfen die Schlüssel aus Sicherheitsgründen weg. Die dunklen und unbewohnten Räume sind zwar noch da, aber sie sind nicht mehr mit Leben gefüllt. Sie setzen Staub und Spinnweben an, die Luft wird stickig, die Dielen lockern sich und die Wände schimmeln. Der Körper ist nicht in seiner Ganzheit erlebbar, Gefühle werden unterdrückt oder sind schmerzhaft und die Selbstwahrnehmung ist vermindert.

Faszien sind die physische Körper-Geist-Matrix; sie bilden das verbindende Gewebe des Hauses. Durch bewusstes Trainieren können wir nach und nach Türen zu vernachlässigten, vergessenen und verborgenen Räumen öffnen, Licht und frische Luft hereinlassen, aufräumen und sie mit Leben erfüllen. Zu unserer eigenen Überraschung könnten einige dieser Räume zu unseren Lieblingsplätzen werden, an denen wir uns entspannen und wieder spielen. Wir sind dabei, die Integrität in dem einzigen materiellen Zuhause wiederherzustellen, das uns wirklich gehört – unserem Körper.

Selbst-Bewusst-Sein

Sich selbst bewusst zu sein, ist die Praxis, achtsam an den Momenten teilzunehmen, die unser Leben ausmachen. Dazu gehört, dass wir unsere Gefühle, Gedanken, Wahrnehmungen und Verhaltensweisen erkennen, um zu verstehen, wie sie zusammen unsere Realität formen. Wenn wir (selbst-)bewusst sind, können wir uns voll und ganz auf eine Erfahrung einlassen, uns daran erfreuen oder uns davon distanzieren.

Achtsamkeit ist nichts, das wir entweder besitzen oder nicht; es ist eine trainierbare Fähigkeit, die wir kultivieren können. Wie beim Muskel- und Faszientraining wird auch die Achtsamkeit durch Übung stärker, flexibler und definierter. Mit stetem Praktizieren wird sie schliesslich zur zweiten Natur.

Etwas Neues zu lernen, wie beispielsweise Tennisspielen, erfordert Energie. Bei unseren ersten Versuchen sind die Bewegungen unbeholfen, und wir verfehlen den Ball häufiger, als dass wir ihn erwischen. Selbst wenn uns ein Schlag gelingt, landen viele Bälle im Netz statt auf der anderen Seite des Spielfelds. Wenn sich die Aktivität in unseren neuronalen Karten und in unserer Körperlichkeit verankert, vollzieht sich eine Veränderung. Wir beginnen, Freude am Spiel zu empfinden, und richten unsere Energie auf gekonntes Ballspiel, anstatt sie beim Versuch, den Ball zu fangen und zurückzuschlagen, zu verschwenden.

Ebenso erfordert die Kultivierung von Achtsamkeit zunächst Energie. Wir stellen fest, dass wir mehr metaphorische Bälle fallen lassen als fangen und oft zerstreuter sind als wirklich präsent. Wir retournieren Bälle unzureichend, reagieren emotional oder überreagieren, anstatt achtsam auf Menschen und Situationen einzugehen. Manchmal geben wir dem „Gegenüber“, dem Schläger oder den Platzbedingungen die Schuld für unsere Unzulänglichkeiten und weigern uns, Verantwortung für das zu übernehmen, was wir erleben. Selbst wenn uns der „Schiedsrichter Realität“ etwas anderes signalisiert, halten wir möglicherweise am Bedürfnis fest, „Recht zu haben“, anstatt die erforderliche mentale Responsivität zu zeigen, um „es richtig zu machen“.

Das beharrliche Üben – wenn auch manchmal mit erheblichem innerem Widerstand – ist ein entscheidender Faktor. Wie eine erfahrene Tennisspielerin, die einen Ball mit einem präzisen Schwung gekonnt zurückschlägt, ermöglicht uns verinnerlichte Achtsamkeit, in jedem Moment angemessen, produktiv und erfolgreich zu reagieren. Da wir uns nicht mehr auf die Grundlagen konzentrieren müssen, können wir unsere Aufmerksamkeit auf uns selbst richten, subtile Veränderungen in einer anderen Person wahrnehmen und uns mit der unmittelbaren Umgebung verbunden fühlen. Wir sind achtsam und ganz präsent für den Reichtum der Erfahrung.

Ressourcenorientierte integrative Bewegung ist das ideale Spielfeld, um Selbst-Bewusst-Sein durch Bewegung zu üben.

Ressourcen-Kreativität

Ressourcen-Kreativität ermöglicht uns, körperliche, geistige und emotionale Kapazitäten zu erkennen und zu nutzen, um unser Potenzial zur Anpassung und zum Gedeihen in unterschiedlichen und sich ständig verändernden Situationen auszuschöpfen. Während eine faszienfokussierte Übungspraxis den Körper-Geist auf vielfältige Weise nährt, geht es bei Ressourcen-Kreativität weniger um die Quantität unserer inneren „Besitztümer“ als vielmehr darum, wie kreativ und produktiv wir sie einsetzen.

Im Rahmen ressourcenorientierter integrativer Bewegung bedeutet dies, unser Verständnis der Körper-Geist-Verbindung zu vertiefen und daraus Nutzen zu ziehen. Durch die Erforschung verschiedener Bewegungsmuster und -techniken können wir die effizientesten und angenehmsten Wege finden, uns zu bewegen und unsere Ziele zu erreichen. Die sich entwickelnde Selbstwahrnehmung und Anpassungsfähigkeit stärken unsere Prä-silienz und strahlende Vitalität, sie ermöglichen uns, die Anforderungen des Alltags mit grösserer Leichtigkeit zu bewältigen und gleichzeitig eine längere Gesundheitsspanne zu geniessen.

Darüber hinaus ist Ressourcen-Kreativität eng mit Innovation verbunden. Sie inspiriert uns, unkonventionelle Wege zu gehen und einzigartige Lösungen für körperliche und geistige Herausforderungen zu entwickeln. Sei es durch den innovativen Einsatz von Hilfsmitteln oder durch die Anpassung von Übungen an individuelle Bedürfnisse – Ressourcen-Kreativität stellt sicher, dass jede Trainingseinheit gezielt das Wohlbefinden von innen heraus fördert.

Körperlich verwurzelte Selbstbestimmung

Selbstbestimmung ist der Glaube an die Fähigkeit, den Verlauf des eigenen Lebens positiv zu beeinflussen. Mit körperlich verwurzelter Selbstbestimmung treffen wir kohärente Entscheidungen und sorgen für unseren Körper, regulieren unsere Emotionen und meistern die Herausforderungen des Lebens, ohne dabei ein falsches Gefühl von Allmacht oder Kontrolle über äussere Umstände zu entwickeln. „Selbstbestimmung bedeutet, eine gewisse Wahl darüber zu haben, wer und wie wir im Leben ‘sind’, welche Teile unseres Selbst wir in den Vordergrund stellen und aus denen heraus wir handeln“, erklärt der Suchtexperte Gabor Maté. Als Gestalter unseres eigenen Lebens zeigen wir Responsivität und emotionale Flexibilität – Qualitäten, die in Zeiten hoher Anforderungen oder chronischen Stresses beeinträchtigt werden können.

Indem wir während unserer Bewegungspraxis gezielte und sinnvolle Entscheidungen treffen und kohärente Massnahmen ergreifen, stärken wir unsere Fähigkeit und unser Vertrauen, die Verantwortung für unser Wohlbefinden zu übernehmen. Dieser Prozess umfasst das Kennenlernen des Körpers und seiner wahren Bedürfnisse, das Verstehen, wie sich verschiedene Übungen oder Hilfsmittel auf den Körper-Geist auswirken, sowie die Anpassung der Praxis an persönliche Ziele und Vorlieben. Dieses Gefühl von Kontrolle und Eigenverantwortung über die Zeit auf der Matte fördert ein tieferes Engagement und eine stärkere Bindung, was zu wirksameren und nachhaltigeren Ergebnissen führt.

Darüber hinaus geht es bei Selbstbestimmung um Ermächtigung durch Wissen. Fachleute mit einer soliden Ausbildung in integraler und funktioneller Anatomie, relevanten wissenschaftlichen und psychologischen Aspekten sowie kohärenten Bewegungsprinzipien sind in der Lage, fundierte Entscheidungen zu treffen und ihre Klientinnen anzuleiten, ohne sie zu überfordern oder zu entmündigen. Stattdessen vermitteln Lehrpersonen und Therapiefachkräfte ausreichend Wissen, um ihre Klienten dabei zu unterstützen, ihr eigenes Gefühl der Selbstbestimmung zu stärken.

Im Wesentlichen verleiht körperlich verwurzelte Selbstbestimmung ein Gefühl von Unabhängigkeit und Handlungsfähigkeit, ohne uns dabei zu isolieren. Wir lernen, auf unseren Körper zu hören, aus unseren Erfahrungen zu lernen, auf das zu vertrauen, was uns anspricht, mit verschiedenen Ansätzen zu experimentieren und so eine aktive Rolle bei der Gestaltung unserer Bewegungsreise im Unterricht und im Leben zu übernehmen.

Responsivität

Responsivität beschreibt die Fähigkeit, auf verschiedene Umweltreize schnell und konstruktiv zu reagieren. In unserem Kontext bedeutet dieser Begriff auch, Verantwortung für die Art und Weise unserer Reaktionen zu übernehmen. Dadurch wird betont, wie wichtig es ist, empfänglich und „selbst-bewusst” zu sein, anstatt impulsiv zu handeln und anderen oder anderem die Schuld zu geben.

Wenn der Körper instabil, schwach oder steif ist, wird die unmittelbare Reaktion auf äussere Anforderungen, gelinde gesagt, zu einer Herausforderung. Körperliche Responsivität erfordert ein gesundes und ausgewogenes Mass an dynamischer Stabilität, mehrdimensionaler Kraft und Flexibilität – den drei somatischen Komponenten, die Bewegungsfreiheit fördern. Indem wir diese Triade pflegen, die eine verfeinerte Bewegungsorchestrierung (Propriozeption) voraussetzt, können wir die Herausforderungszonen auf und neben der Matte mit grösserer Agilität und Anmut erleben.

Im Rahmen von Bewegung führt der Weg zu verbesserter mentaler Responsivität über das Training unseres Gefühls der Selbstbestimmung.

Responsivität ist zudem eng mit dem verbunden, was ich emotionale Kompetenz nenne: die Fähigkeit, Gefühle zu erleben, erkennen, verstehen, benennen, regulieren und kommunizieren. Im Training fördern wir unsere emotionale Kompetenz, indem wir den gefühlten Sinn (Interozeption) und Achtsamkeit in der Bewegung betonen. So bleiben wir emotional beweglich und responsiv – sowohl wenn das Leben fast zu schön ist, um wahr zu sein, als auch wenn es schwierig wird.

Geerdetes Selbstvertrauen

Geerdetes Selbstvertrauen ist eine kraftvolle Erfahrung, bei der verinnerlichte Demut und Vertrauen in die eigene Ressourcen-Kreativität, das eigene Können und der Glaube an Erfolg zusammenkommen. Es ist jedoch keine berauschende Art von Selbstsicherheit. Stattdessen stehen wir bildlich gesprochen mit beiden Füssen fest auf dem Boden, das Herz ist offen, und der Geist ist empfänglich, klar, entschlossen und zugleich lernbegierig.

Ein anderes Wort für Demut ist Humilität. Humilität geht auf das lateinische Wort „humilitas“ zurück, das sich von „humilis“ ableitet und mit „Humus“ verwandt ist. „Humilis“ bedeutet „geerdet“, und „Humus“ bezieht sich auf „Boden“ oder „Erde“. Von der Forscherin Brené Brown lernen wir: „Demut ist die Offenheit für neues Lernen, kombiniert mit einer ausgewogenen und genauen Einschätzung unserer Beiträge, einschliesslich unserer Stärken, Unvollkommenheiten und Wachstumschancen“. Demut bedeutet nicht, bescheiden oder sanftmütig zu sein; vielmehr geht es darum, „unsere Beiträge im Kontext zu verstehen, in Bezug auf die Beiträge anderer und unseren eigenen Platz im Universum“.

Geerdetes Selbstvertrauen ist kein Zustand, den wir erreichen, sondern eine fortwährende Praxis, der wir uns widmen. Auf der Matte kultivieren wir es, indem wir neugierig bleiben, unser Gefühl der Selbstbestimmung stärken – indem wir uns bereitwillig den Bewegungsherausforderungen stellen und sie annehmen, anstatt sie zu vermeiden – und indem wir unsere Responsivität in Momenten des Scheiterns oder Erfolgs trainieren.

Ein differenziertes und stabiles, geerdetes Selbstvertrauen ist sowohl persönlich als auch beziehungsorientiert. Sich gut verwurzelt zu fühlen, auf die eigenen Fähigkeiten zu vertrauen und für andere vertrauenswürdig zu sein, ruft ein unvergleichliches Gefühl innerer Leichtigkeit hervor. Das essenzielle Selbst tritt hervor und ermöglicht es uns, authentisch mit anderen Menschen in Verbindung zu treten.

Strahlende Vitalität

Gesund sein, sich wohlfühlen und Körper, Geist und Herz gut heilen lassen sind Kennzeichen strahlender Vitalität – ein dynamischer Prozess, der im Hier und Jetzt stattfindet, mit einer Geschichte und einer Zukunft.

Mit faszienfokussierter Bewegung können wir strahlende Vitalität fördern, indem wir uns auf die belebenden Eigenschaften des Fasziensystems und seine Wechselwirkungen mit dem Muskelsystem, dem autonomen Nervensystem und dem Immunsystem konzentrieren. Der Teil der Übungspraxis, der auf die Muskelkollaboration abzielt, nutzt den bedeutenden Beitrag der Muskeln zur Energieerzeugung, Organgesundheit und psychischen Gesundheit, dem hormonellen Gleichgewicht, der Gewichtsregulierung, der Selbstheilung und der strukturellen Jugendlichkeit. Indem wir die Faszien ganzheitlich und achtsam in Bewegung halten, fördern wir das dynamische Gleichgewicht zwischen dem sympathischen und dem parasympathischen Teil des autonomen Nervensystems. Unsere Energie ist gut reguliert: Wir sind wach, aufmerksam, motiviert, produktiv und hilfsbereit, wenn es erforderlich ist, und mit derselben Kompetenz können wir einfach sein, entspannen und den Moment geniessen. Die Bewegungspraxis schafft zudem optimale Bedingungen für Immunreaktionen im Gewebe, sodass das Immunsystem seine Aufgabe bestmöglich erfüllen kann: die Gesundheit zu erhalten.

Und das ist noch nicht alles. Strahlende Vitalität weckt unseren inneren Eros und hält ihn lebendig. Eros steht nicht nur für Sinnlichkeit und sexuelle Energie, sondern auch für Lebenskraft und Kreativität, zusammen mit dem Wunsch nach Verbundenheit, Intimität und dem Aufbau bedeutungsvoller Beziehungen.

Wie du sehen kannst, ist strahlende Vitalität sowohl überbordend als auch ruhig, persönlich und zugleich beziehungsorientiert. Die Lebendigkeit und Gelassenheit, die wir erleben, strahlt nach innen und aussen, hält uns in Einklang mit uns selbst und bringt uns gleichzeitig in Resonanz mit anderen Lebewesen.

Positive Resonanz

Positive Resonanz beschreibt den wunderbaren Austausch positiver Emotionen zwischen Individuen; sie ist der Moment, in dem „meine“ Dankbarkeit und Freude nahtlos zu „unserer“ werden.

Wie kann dies in einer Praxis ohne direkte soziale Interaktion geschehen? Wie so oft beginnt es mit Liebe und Selbstakzeptanz. Liebe und Zugehörigkeit sind unverzichtbare menschliche Bedürfnisse. „Wir müssen uns selbst ebenso zugehörig fühlen wie anderen,” sagt die Forscherin Brené Brown. Sie fügt hinzu: „Da wir Zugehörigkeit nur empfinden können, wenn wir den Mut haben, unser authentischstes Selbst mit anderen zu teilen, kann unser Zugehörigkeitsgefühl niemals grösser sein als unser Mass an Selbstakzeptanz.”

Selbstakzeptanz ist eine trainierbare mentale Fähigkeit, für die ressourcenorientierte integrative Bewegung ein wirksames Mittel sein kann. Durch das Training lernen wir, den Körper zu erkennen und anzunehmen, einschliesslich seines aktuellen Aussehens, seiner Empfindungen, Fähigkeiten und Herausforderungen. Darüber hinaus kultiviert unser ressourcenorientierter Ansatz im Laufe der Zeit bewusst die Wertschätzung für das, was ist – selbst für die Herausforderungen. Das Praktizieren von Wertschätzung verbessert jede Dimension des Lebens: Es stärkt unser Immunsystem, fördert die Schlafqualität und kann zu häufigen Momenten der Freude und einer optimistischeren Lebenshaltung führen, was uns ermöglicht, mit körperlich verwurzelter Positivität mit der Welt in Kontakt zu treten.

Wenn wir uns selbst akzeptieren und wertschätzen, treten wir ganz natürlich mit anderen Menschen in Verbindung, und Kommunikation wird zu etwas Verbindendem statt zu einer Quelle der Trennung. Unser Vertrauen vertieft sich, Beziehungen gedeihen, und das, was die Psychologin Barbara Fredrickson als 'Mikro-Momente positiver Resonanz' bezeichnet, stellt sich ganz von selbst ein.